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Terminservice-Gesetz beschlossen – Für die Patienten wird Hilfe zur Selbsthilfe immer wichtiger

Der Bundestag hat das umstrittene Terminservice-Gesetz verabschiedet. Von vielen Ärzten wird es Terminservice-Verschlimmerungs-Gesetz genannt. Erklärtes Ziel des Gesetzes sei es, Kassenpatienten zu schnelleren Terminen zu verhelfen, so Gesundheitsminister Spahn. Es ist aber sehr zweifelhaft, ob durch das Gesetz wirklich ein besserer Zugang zu Ärzten geschaffen wird. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Andreas Gassen hat schon darauf hingewiesen, dass viele kleinteilige und kleinliche Regulierungen in dem Gesetz die Arbeit der Kassenärzte erschweren und vielen Ärzten dabei die Arbeit verleidet wird. Mehr als 30% der Ärzte sind über 60 Jahre alt. Über die sagt Gassen: „Die werden nicht streiken – die werden auch nicht demonstrieren. Die hören einfach früher auf“

 

Ich habe schon in meinem Buch „Wahnsinn Wartezeit“ das Szenario eines zukünftigen Ärztemangels ausführlich beschrieben und begründet. Ich glaube daher, dass die Prognose des KBV Vorsitzenden schon bald Realität werden wird.

Und auch, wenn es nicht zu einem vorzeitigen Exodus der Ü 60 Ärzte-Generation kommen wird, haben die Kassenärzte durch das neue Gesetz nicht mehr Zeit zur Verfügung als vorher. Sie werden ihre Zeit nur anders einteilen.

 

Mich selbst stört an dem Gesetz besonders, dass ich durch „materielle Anreize“ dazu gebracht werden soll, mehr neue Patienten aufzunehmen, was umgekehrt bedeutet, dass meine „alten“ Patienten noch länger auf einen Termin warten müssen. Als orthopädischer Schmerztherapeut betreue ich viele meiner Patienten seit vielen Jahren. Auch viele Jugendliche mit orthopädischen Problemen oder auch Deformitäten sind bei mir über längere Zeit in Behandlung.

 

Ich stehe jetzt vor einer Gewissensentscheidung: Soll ich, wie von Herrn Spahn gewollt, mich wie ein Pawlowscher Versuchshund mit materiellen Anreizen konditionieren lassen und vorwiegend neue Patienten behandeln, um so mehr Geld zu erhalten? Oder entscheide ich mich, alles so zu belassen, wie es ist und weniger zu verdienen? Ich weiß noch nicht, was ich machen werde. Vielleicht lasse ich meine Patienten darüber abstimmen.

 

In jedem Fall bleibt das Hauptproblem bestehen: Es wird einerseits immer mehr ärztliche Leistung benötigt und andererseits wird es immer weniger ärztliche Arbeitszeit für die Patienten geben. Drohende Praxis-Schließungen aus ökonomischen Gründen sind das eine, bürokratische Überforderung der verbliebenen Ärzte das andere Problem.

Für die Patienten – und das sind letztlich wir alle – bleibt daher nur ein Ausweg: Mehr Eigenverantwortung für die Gesundheit übernehmen und mehr Selbsthilfe leisten.

 

Lange Zeit hat man gehofft, durch Vorsorgeuntersuchungen und Präventionsmaßnahmen die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen zu reduzieren. Das hat sich als nicht realistisch herausgestellt. Vorsorge und Prävention sind möglich, aber der Effekt dürfte kleiner sein als viele geglaubt haben. Viel wichtiger scheint mir die ärztliche Vermittlung von Hilfe zur Selbsthilfe zu sein. Erfahrene Ärzte wissen nicht nur, wie sie ihre Patienten möglichst effektiv therapieren, sie wissen auch, wie diese sich selbst helfen und so die bereits eingetretenen Erkrankungen besser bewältigen können. Wir Ärzte müssen didaktische Kompetenzen erwerben, um diese Hilfe zur Selbsthilfe zu optimieren und Patienten dazu zu motivieren.

 

Mein Buch „Dein Rückenretter bist du selbst“ ist ein Beitrag dazu. Hilfe zur Selbsthilfe durch Eigenübungen, Hausmittel, positive Gedanken und Anleitung zu sinnvoller Selbstmedikation können die Inanspruchnahme von Praxen und Notfallambulanzen reduzieren. Den Patienten gibt sie mehr Freiheit und Selbstkontrolle.