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Ist der Handel noch so klein, bringt er mehr als Arbeit ein

Der Gesundheitsminister hat viel Verständnis und zeigt Solidarität mit den Angehörigen des Gesundheitswesens. Allerdings nicht unbedingt mit denjenigen, die ihr Einkommen durch Arbeit beziehen.

 

Zwar hat sich in der Öffentlichkeit inzwischen herumgesprochen, dass Pflegekräfte chronisch unterbezahlt sind. Dass dies auch für die niedergelassenen Ärzte und ihre Medizinischen Fachangestellten (MFA) gilt, will aber bislang niemand zur Kenntnis nehmen. 

 

Seit Jahren schon bleiben die Umsätze der Kassenpraxen auf einem niedrigen Niveau. Öffentlichkeitswirksam, aber leider nicht ernst gemeint, lobt der Gesundheitsminister die Kassenärzte als Schutzwall, der die Krankenhäuser vor der Pandemie schützt. Doch in der Pandemie können die Praxen nicht auf ihn zählen.

 

Praxen mit dem Rücken an der Wand

 

Die Hausärzte haben durch Corona erhebliche Mehrarbeit, einige spezialisierte Facharztpraxen hingegen werden weniger aufgesucht, halten ihren Betrieb aber offen und entlasten so die Krankenhäuser.

 

In anderen Facharztgruppen ändert sich das Spektrum der Krankheiten. Patienten mit leichteren Erkrankungen kommen seltener, dafür füllen sich die Sprechstunden mit komplizierteren Fällen. Die absurde Form der Bezahlung der Kassenärzte innerhalb einer budgetierten Gesamtvergütung führt dazu, dass in der Pandemie bei fast allen Ärzten die Einkommen sinken – trotz gestiegener Anstrengungen für Hygiene und Pandemiebekämpfung.

 

Der bisherige „Schutzschirm“ für die Praxen glich deren Verluste nicht annähernd aus. Gleichzeitig mussten die Praxisärzte nicht nur die vermehrten Hygieneanforderungen, sondern auch längst überf.llige Tariferhöhungen für ihre MFA bewältigen. Aber selbst diesen Schutzschirm will Minister Spahn jetzt nicht verlängern – und gefährdet so die ambulante medizinische Versorgung.

 

Man muss sich also nicht wundern, dass Minister Spahn bei den Ärzten zur Zeit nicht sehr beliebt ist. Sie fühlen sich von der Gesundheitspolitik missbraucht und ausgenutzt.

 

Einige Akteure des Gesundheitswesens hat der Minister einfach lieber

 

Ganz anders verhält es sich bei den Akteuren im Gesundheitswesen, die ihr Einkommen nicht durch Arbeit, sondern durch Handel und Verwaltung erzielen. Besonders freuen können sich natürlich die Spekulanten und Händler, die Masken und Schutzausrüstung zu überhöhten Preisen verkaufen konnten, weil das Gesundheitsministerium es versäumt hatte, ausreichend

vorzusorgen. Aber nicht nur sie sind Pandemie-Gewinnler.

 

Die privaten Kliniken haben großzügige Unterstützungen in der Pandemie erhalten, um den Leerstand von Betten zu kompensieren. Die Erfinder und Programmierer von digitalen Anwendungen machen gerade das Geschäft ihres Lebens, die Pharmaindustrie steht sowieso auf der Sonnenseite des Gesundheitswesens. Aber auch den Apotheken geht es nicht gerade schlecht.

 

So bekamen die Apotheken von Jens Spahn die vornehme Aufgabe zugewiesen, allen Angehörigen der Risikogruppen drei FFP2 Masken zuzuteilen. Wie man hörte, ging es dabei ziemlich chaotisch zu. Den Apotheken hat die Maskenverteilung allerdings nicht geschadet.

 

6 Euro pro FFP2 Maske

 

Der Bund der Steuerzahler schreibt:

 

„Seit Dezember vergangenen Jahres verteilt der Bund über die Apotheken

FFP2-Masken an Risikopersonen – kostenlos bzw. mit geringer Zuzahlung. Dafür erhalten Apotheker bisher

eine Vergütung von 6 Euro pro abgegebener Maske. Nach schrittweisen Ausweitungen der Verteilaktion drohten

die Kosten für den Steuerzahler immer weiter zu steigen. Mit nun rund 39 Mio. Anspruchsberechtigten hat

mittlerweile fast die Hälfte aller Deutschen Anspruch auf die staatlich verteilten Masken.“
(https://steuerzahler.de/)

 

Im Baumarkt oder im Handel kosten die FFP 2 Masken nur um die 2 Euro. 6 Euro sind also ein ziemlich gutes Geschäft für die Apotheken, die sich so über einen warmen Geldsegen freuen können, von dem Ärzte in den jetzigen Zeiten nicht zu träumen wagen.

 

Aber die Apotheker verdienen ihr Geld ja auch mit dem Handel von Medikamenten – und der war schon immer besser bezahlt als das Verschreiben von Medikamenten und die Durchführung von Behandlungen.

 

Noch besser: 6,10 Euro für Beratung

 

So wissen die wenigsten Patienten, dass die Apotheken zusätzlich zum Preis eines Medikaments noch eine Gebühr von 6,10 Euro für „Beratung“ erhalten (https://www.krankenkasseninfo.de)

 

Auch diese Gebühr gibt es für jedes einzelne Medikament. Wenn ein Arzt also ein Rezept mit drei Medikamenten ausstellt, bekommt der Apotheker 18,30 Euro zusätzlich zu den eigentlichen Medikamentenpreisen. Diese 18,30 Euro sollen den Aufwand der Apotheke für die Beratung honorieren. Nun gibt es wirklich Fälle, in denen der studierte Pharmazeut Patienten fachkundig beraten muss. Aber im echten Leben wird die Beratungsgebühr vor allem in den vielen Fällen bezahlt, in denen eine Pharmazeutische Assistentin oder auch der Lehrling den Rat gibt: „Bitte immer zu den Mahlzeiten einnehmen“. Um das Missverhältnis dieser Zahlungen zu verdeutlichen, muss man sich daran erinnern, dass viele Arztgruppen Quartalspauschalen erhalten, die nicht sonderlich höher oder sogar niedriger liegen, als diese schnell verdienten 18,30 Euro.

 

Missverhältnis zu Honoraren der Ärzte

 

Zum Beispiel erhalten Chirurgen für die dreimonatige Betreuung eines Patienten eine Grundpauschale von 25,70. Darin sind eine Vielzahl von Leistungen wie Ganzkörperuntersuchung, Schmerzspritzen oder Verbände bereits enthalten.

 

Kinderärzte können für die Basisversorgung von Kindern ab 4 Jahren nur 15,80 € abrechnen. Diese zwei Beispiele zeigen, dass sich Ärzte für drei Monate Betreuung ihrer Patienten mit einer Grundpauschale begnügen müssen, die in der Größenordnung der Gebühr liegt, die Apotheker -zusätzlich zum eigentlichen Medikamentenpreis- mit einem einzigen Rezept kassieren können.

Kein Wunder, dass dieses Ungleichgewicht bei den Ärzten eine tiefe Frustration auslöst.

 

Dabei bewahrheitet sich darin einfach nur die alte Kaufmannsweisheit:
„Ist der Handel noch so klein, bringt er mehr als Arbeit ein.“

 

Der Gesundheitsminister hat einmal für ein Jahr bei einer Bank gearbeitet. Der Handel wird ihm daher schon aus Gewohnheit mehr am Herzen liegen als diejenigen, die nur eine medizinische Dienstleistung erbringen. 

 

Außerdem scheint die Gesundheitspolitik die Akteure im Gesundheitswesen um so besser zu behandeln, je mehr deren Tätigkeit Handel und Geschäft beinhaltet, weswegen Pharma- und IT-Industrie am besten davonkommen. Umgekehrt wird die Behandlung durch die Politik um so schäbiger, je mehr die Tätigkeit aus medizinischer Dienstleistung und direkter Patientenbetreuung besteht. So betrachtet, sollten sich die Pharmazeuten die Sache mit dem Impfen in Apotheken noch einmal ganz genau überlegen.

14.02.2021 07:05, Autor: Dr. Mattias Soyka, © änd Ärztenachrichtendienst Verlags-AG

Quelle: https://www.aend.de/article/210484