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Handel oder Behandlung? Beides sollte man schön trennen!

Ärzte brauchen Apotheker, die die von ihnen verschriebenen Medikamente an ihre Patienten ausliefern. Apotheker brauchen Ärzte (noch ein klein wenig mehr als die Ärzte die Apotheker), weil diese die Medikamente, mit denen sie handeln, rezeptieren.

 

Das Verhältnis zwischen den Medizinern und den Pharmazeuten ist trotzdem – und auch völlig ungeachtet der Tatsache, dass beide Berufsgruppen sogar eine gemeinsame Genossenschaftsbank haben – ein durchaus spezielles.

 

Schon der französische Schriftsteller Gustave Flaubert, der vor 200 Jahren als Sohn eines Arztes geboren wurde, thematisiert das Spannungsverhältnis in seinem Roman „Madame Bovary“. Der darin beschriebene wirtschaftliche Niedergang des Landarztes Dr. Bovary und seiner Frau wird zu einem Teil auch vom Dorfapotheker Homais verursacht, der regelmäßig

Sprechstunden in seiner Apotheke abhält und dem Arzt die Patienten abspenstig macht, was schon damals nicht erlaubt war.

 

Eine der letzten Großtaten des Ex-Ministers Spahn bestand darin, den Apotheken das Impfen zu gestatten.

 

„Er hatte gegen das Gesetz vom 19. Ventose des Jahres XI verstoßen, welches in Artikel 1 jedem, der nicht über ein entsprechendes Zeugnis verfügt, die Ausübung der Medizin untersagt; und so war Homais aufgrund finsterer Denunziationen nach Rouen zitiert worden vor den Königlichen Staatsanwalt, in sein Privatkabinett.“

Auch wenn es heutzutage zu Spannungen zwischen beiden Berufsgruppen kommt, sind diese meist darin begründet, dass der eine oder andere Apotheker sich nicht damit begnügen möchte, nur passiv Rezepte zu erhalten, sondern aktiv an die Sache herangeht. 

 

Das kann zum Beispiel so aussehen, dass der Patient beim Einlösen des Rezepts zu hören bekommt, dass es doch ein noch viel besseres Medikament als das vom Arzt verordnete gibt, oder dass der Arzt nur sein Kreuz richtig setzen müsste, damit der Patient nicht mit dem billigeren Generikum vorliebnehmen muss. So ein Verhalten hat das Potential für mittelschwere

Wutausbrüche beim Aussteller des Rezepts, die zwar menschlich verständlich, aber auch schlecht für den Blutdruck sind. Schließlich sind das nur Petitessen.

 

Oft hilft hier eine klare Ansage an die Apotheke, gefolgt von einer kleinen Achtsamkeitsmeditation. Aber trotz aller Gelassenheit gilt: Die Grenze zwischen dem Handel mit Medikamenten und der Behandlung ist keine willkürliche, zunftmäßige Abgrenzung wie im Mittelalter. Es geht zum einen darum, dass der Apotheker zwar ein studierter Pharmazeut

ist, aber eben kein Mediziner, und seine Apothekenhelferin erst recht nicht. Beide bringen daher nicht die fachlichen Voraussetzungen mit, die ärztliche Beratung zu ersetzen.

 

Zum anderen ist die Trennung zwischen beiden Funktionen – Handel und Behandlung – notwendig, um den Minimalstandard von Unabhängigkeit bei der Medikamentenverordnung zu gewährleisten. Wenn der Apotheker sich seine eigene Nachfrage

scha%t, kann der Patient sich nicht sicher sein, dass sein Medikament aus medizinischer Notwendigkeit und nicht aus pekuniärem Interesse verordnet wurde. Schon immer gab es findige Apotheker, die diese - gesetzlich vorgeschriebene - Trennung umgehen wollten (und Ärzte, die dabei mitmachten).

 

Der Klassiker war das „Ärztehaus“ im Besitz eines Apothekers. Doch das funktioniert glücklicherweise schon lange nicht mehr. Ein neuerer Trend ist, dass sich Apotheker - oder gleich Pharmafirmen – in Medizinische Versorgungszentren einkaufen. Das lohnt sich zwar, vor allem wenn es dabei um Onkologie oder andere Verordnungsbereiche teurer Medikamente geht, kann aber leicht im Gefängnis enden. Das gleiche gilt für günstige Kredite von Apothekern an verordnende Ärzte, vor allem wenn eine Rückzahlung gar nicht ernsthaft intendiert ist. 

 

Ärzte können die Aufweichung der Grenzen zwischen Handeln und Behandeln nicht tolerieren. Korruption – also die Vermengung von ärztlicher Medikamentenverordnung und Bedienung von Umsatzinteressen von Apotheken – muss die Ärzteschaft schon aus Gründen der eigenen Glaubwürdigkeit bekämpfen.

 

Die Ärzteschaft als Ganzes hat ein Interesse daran, dass die Verordnung unabhängig bleibt. Deshalb wurde die Verschärfung von Korruptionstatbeständen von der großen Mehrheit der Ärzte begrüßt. Nur im Gesundheitsministerium scheint nicht

richtig verstanden worden zu sein, dass Handel und Behandlung strikt getrennt sein müssen. Eine der letzten Großtaten des Ex-Ministers Spahn bestand darin, den Apotheken das Impfen zu gestatten. 

 

Abgesehen davon, dass Apotheker das Injizieren, das Anamneseerheben und das Beurteilen von Befunden nicht gelernt haben und bei Notfällen nicht wissen (können), was zu tun ist, reißt die Impfberechtigung für Apotheker die Mauer zwischen Handel und Behandlung ein.

 

Das ist ein Fehler nicht nur im Allgemeinen, sondern auch in der speziellen Situation der Pandemie. Wenn wir um die noch erreichbaren Impfskeptiker kämpfen und mit guten Argumenten die Impfquote steigern wollen, dann ist Glaubwürdigkeit

die wichtigste Voraussetzung. Wer diese Glaubwürdigkeit beschädigt, indem er die Grenze zwischen der

ärztlichen Tätigkeit des Impfens und dem umsatzstarken Apothekengeschäft verwischt, der sabotiert die Impfkampagne.